Kritik, Feedback, Kommentare: ohne sie ist ein Autor entweder ein Genie, ein Irrer, oder hoffnungslos verloren. Ein Normalsterblicher wird ohne Feedback gnadenlos scheitern. An Feedback herankommen ist einfach. Autorenforen gibt es im Web wie Sand am Meer. In der Regel hagelt es an Lob bis hin zu Flames, ohne dass man danach gefragt hätte. Das Problem ist jetzt das Aussortieren.
Bevor man sich den Wölfen zum Fraß vorwirft, sollte man sich wappnen. Wer wirklich einen Roman schreibt, hat sein Herz ganz weit offen stehen. Und wer Teile davon andere lesen lässt, hat in der Regel sein Bestes gegeben und ist davon überzeugt, ein neuer Goethe zu sein. Um so schmerzhafter ist die Erfahrung, dass Fremde nicht unbedingt davon begeistert sind. Ist es der erste Roman, kann man zu hundert Prozent davon ausgehen, dass es schmerzhaft wird.
Und jetzt? Es dürfte ausgeschlossen sein, unter seinen Kritikern auf einen Professor für Literatur zu stoßen. Die selbsternannten Kritiker sind das Käthchen aus Waldfischbach oder dem Huber sein Rolf von nebenan. Menschen wie du und ich. Die Wahrscheinlichkeit, vernünftige Kritik zu bekommen, gleicht einer Perle im Sautrog. Jetzt deswegen alles, was weh tut, ignorieren, und schöne Kommentare liken?
Man muss sich immer diese Frage stellen: Der Leser runzelt die Stirn. Er steht für 10.000 potentielle Käufer. Was muss anders geschreiben werden, damit seine Stirn wieder glatt wie einen Babypopo wird? An welchem Punkt stand in seinem Gesicht ein Hä?
Die schwere Entscheidung ist: inwieweit willt man seinen eigenen Roman verändern, nur damit mehr Interessenten gewonnen werden? Wie wichtig genau ist, was gerade im Roman geschrieben wurde? Meckert der Kritiker echte Fehler an, oder will er, dass der Roman in seinem Sinn neu geschrieben wird? Will er statt Gandalf einen Klingonen haben? Vergiss diese Frage nie. Es ist erbärmlich, wenn man einen Roman nur genau so schreibt, wie ihn die zahlende Mehrheit haben will. Genau das passiert da draußen gerade in der heutigen Literaturszene. Romane werden am Fließband als Stangenware zur Befriedigung des kleinsten gemeinsamen Nenners produziert. Aldi für den Buchmarkt.
Die Frage muss immer heißen: habe ich Fehler gemacht? Und nie: Das, was ich fühle und schreiben will, meine Geschichte, kommt die an? Ein echter Autor ist jemand, der Buchstaben aus seinem Herzen auf Papier bluten lässt. Wer im Auftrag des allgemeinen Geschmacks etwas schreibt, ist kein Autor, sondern ein Fertigungsautomat.
Zwei wichtige Fragen muss man sich stellen – und aufpassen, dass man die Antworten darauf nicht übersieht!
- Hat mein Text wirklich sachliche, fachliche oder logische Fehler? Die Verifizierung solcher Kritik ist mühsam, aber einfach. Wenn ein Kritiker bemängelt, dass in meinem Roman die Hauptstadt von Polen Regensburg ist, hilft Wikipedia, den Schuldigen zu entlarven.
- Wie kommt der Text emotional beim Leser an, ist er ergreifend, interessant, spannend, bildhaft? Hier ist es sehr schwer zu entscheiden. Die Kritik ist ein persönlicher Eindruck. Wie steht es mit der Aussage: “die Reaktion deiner Figur erscheint mir unplausibel”? Wenn die Figur beim Sturz von einem Hochhaus mit dem Handy eine Pizza ordert, ist das eindeutig. Aber wenn die Blondine den Vergewaltiger angreift, statt wegzurennen – Fehler oder geniale Wendung?
Es ist extrem wichtig, dass die Leser sich in die Figuren einfühlen können, die Geschichte miterleben können. Aber die Kritiken hier sind immer sehr persönlich, nicht objektivierbar, und mitunter widersprechen sie sich. Man wird Leute finden, die den Autor anbeten, während andere den Kopf schütteln – über dieselbe Frage. Hellhörig sollte man werden, wenn sich alle einig sind. Hellhörig. Aber nicht hörig.
Wie erkenne ich jetzt gute Kritik?
- Ist die Kritik nur ein persönlicher Geschmack, oder inhaltlich konkret?
- Gibt sie dir das Gefühl, persönlich oder sachlich kritisiert zu werden?
- Wirkt sie durchdacht, gibt der Kritiker das Gefühl, sich mit der Story auseinandergesetzt zu haben?
Letztlich hilft nur der gesunde Menschenverstand.