19. März 2024

2. Frühstück

Von unserer Autorin Sabine

Sie glitt durch den Raum,

schwerelos und frei, inmitten von Milliarden und Abermilliarden von Sternen! Sie war da, wo sie sein sollte, ein Teil des Ganzen. Und nur durch sie wurde diese Welt vollkommen.
Goldene Sterne erfüllten den Raum! Silberne Sterne färbten sich weiß, gelb, dann rot! Die Strahlen der Morgensonne leuchteten durch Reginas Lider. Sie blinzelte kurz, drehte sich um und drückte die Nase in das Daunenkissen. Noch einmal eintauchen in diesen Traum, nur für einen Moment. Nein, sie war endgültig wach, streckte das Bein aus und traf Bastis Fuß.

Er grunzte im Halbschlaf und drehte sich auf die andere Seite.
»He, Faulpelz. Die Sonne scheint.«
Er brummelte, ohne sich umzudrehen. »Lass mich. Ist spät geworden gestern.«
»Ich weiß.« Ihre Stimme klang pikiert. »Gestern um elf war ich noch wach. Wo warst du denn so lange?« Sie rückte an ihn heran, bis sie seinen Po spürte, legte den Arm um ihn und kuschelte sich an seinen warmen Rücken.
»Arbeit bis zehn und dann noch einen Kumpel getroffen.«
Reginas Kopf schoss hoch. »Wen denn?«
»Kennst du nicht.«
»Betrügst du mich etwa?« Sie grinste kokett.
Endlich hob Basti den Kopf und drehte sich mühsam um. »Wie lange sind wir jetzt zusammen?«
»Sieben Jahre. Oder acht bald.«
»Und habe ich dich je betrogen?«


Regina winkte ab. »War doch nicht ernst gemeint, die Frage. Obwohl, wenn ich es recht bedenke, sind wir im verflixten siebten Jahr. Oder gilt das erst, wenn man verheiratet ist?«
Basti wuschelte sich durch die langen Haare am Oberkopf.
Regina betrachtete kritisch seine neue Frisur. »Vorher hat es mir besser gefallen. Die Seiten sind fast kahl geschoren. Solide wirkte das nicht. Im Radiosender sah das ja keiner. Aber was, wenn er sich mal einen seriösen Job suchen musste, um seine zukünftige Familie zu ernähren?
Er grinste versöhnlich. »Ich merke schon, ich hab keine Chance auf einen Vormittag im Bett. Beeil dich, du bist spät dran. Ich stehe gleich auf und mache Kaffee.«

Sie rollte sich herum und zog die Decke über den Kopf.

»I ha keine Bock a…f Kind…gart…«
Basti war jetzt endgültig wach. »Ach komm, Maus, du liebst doch die Gören.«
»Schon.« Sie schlug die Decke auf, blinzelte ihn an und grinste. »Aber noch bin ich hier.« Mit Schwung fuhr sie herum, fasste ihn an den Schultern, drückte ihn auf die Matratze und warf sich auf ihn. »Wir wäre es, wenn wir unsere eigenen Kinder machen würden? Hier und jetzt?«
»Kinder? Nicht schon wieder dieses Thema.« Basti schob sie unsanft zur Seite, wälzte sich aus dem Bett und suchte den Fußboden ab. »Hast du mein Shirt gesehen?« Er hatte es gefunden, zog es verkehrt herum über den Kopf und wankte zur Tür. »Schau mal auf die Uhr.«
Halb acht. Er hatte Recht, für den Kindergarten könnte es knapp werden. Trotzdem. Seufzend robbte sie an die Bettkante und setzte sich auf, ein Bein angewinkelt, das andere stand unnatürlich ab und zeigte links und rechts des Knies zwei tiefe Narben. Sie versuchte, wie immer gleichgültig darüber hinwegzusehen, aber ihr Blick wanderte vom gesunden Bein zum steifen und wieder zurück. Sie stellte sich vor, wie sie aussähe, wenn sie zwei gleiche Beine hätte.
Das brachte doch alles nichts. Mit einem demonstrativen Ächzen erhob sie sich und schlappte ans Fenster. Die Sonnenstrahlen wärmten ihr Gesicht. Wie sehr sie den Ausblick liebte. Den Dorfteich mit den Schwänen. Heute war nur einer da, der andere saß sicher auf dem Nest. Bald würden den beiden ihre Küken folgen. Wie sie sie beneidete.
Regina seufzte und schlurfte ins Bad. Sie wollte gerade die Tür schließen, als Basti aus der Küche rief. »Wo ist der Kaffee?«
Kaffee! »Hab ich keinen gekauft?« Sie drückte eilig die Tür zu, um Bastis Kommentar nicht mehr zu hören.

Wenig später hakelte sie sich die Treppe runter zur Küche.

Sie trug die Jeans von gestern und ein Sweatshirt.
»Du ziehst dir nichts Frisches an?«
»Wozu? Nach zehn Minuten kann man mich von den Kindern und dem Sand in der Kiste eh nicht mehr unterscheiden.« Regina betrat die Küche, ihre Augen leuchteten. Auf dem Tisch duftete frisch gebrühter Tee neben einer Schale mit aufgeschnittenem Graubrot und einer Auswahl an Marmeladen.
Regina setzte sich und stutzte. »Kannst du noch die Butter aus dem Kühlschrank holen?«
»Sinnlos. Die hast du woanders versteckt.«
»Wo?«


»Gleich neben dem Kaffee.« Basti warf ihr einen genervten Blick zu. »Einmal das Hirn einschalten!« Er schnappte sich eine Einkaufstasche und ihre Geldbörse.
»Was hast du vor?« Sie beäugte misstrauisch ihren Geldbeutel. Basti war wohl mal wieder klamm.
»Hast du Lust auf Frühstück ohne Butter? Ich nicht.« Basti öffnete ihre Börse. »Wenigstens die ist nicht leer.« Die Haustür donnerte hinter ihm ins Schloss.
Regina zuckte zusammen. Sie stellte sich die Situation mit drei Kindern am Tisch vor und verzog das Gesicht. Sie tunkte das trockene Brot in die Kirschmarmelade und mömmelte lustlos darauf herum. Gestern hatte sie alles eingekauft, nur nicht das auf ihrer Liste. Sie musste zugeben, dass er Recht hatte. Hm. Ein wenig vielleicht. Halb, er hätte ja auch einkaufen können. Oder zu zehn Prozent Recht. Sie grinste, dann verschluckte sie sich. Die Tür flog so schnell auf, dass sie gegen die Wand krachte. Basti stürmte durch, schnappte sich ein Päckchen von der Garderobe und war draußen, bevor Reginas Herzschlag wieder einsetzte. Die Tür ließ er offenstehen.
Nach ein paar Minuten bemerkte Regina,

dass das Brot immer noch vor ihrem offenen Mund schwebte und die Marmelade auf ihre Bluse tropfte. Sie spülte das Brot mit Tee runter und verbrühte sich dabei die Zunge. Igitt! Wer Tee trinkt, frisst auch kleine Kinder! Sie sah auf die Uhr. Noch zehn Minuten. Sie machte sich notdürftig frisch, kickte die Haustür hinter sich zu und setzte sich in den alten Fiat. Heute sprang er sogar bereits nach dem dritten Versuch an. Vorsichtig lenkte sie ihn um den großen Anker, fluchte laut auf, wendete und parkte wieder vor dem Haus. Mit hängenden Schultern ging sie hinein, holte ihre vergessene Handtasche, verfluchte alle Götter, die gerade online waren und setzte sich wieder vors Steuer. Warum war sie so dämlich gewesen, für die eine Minute den Motor auszuschalten? Diesmal war der Motor nicht so gnädig. Nach acht weiteren Versuchen tuckerte sie endlich den schmalen Pfad hinunter zur Straße. Der Auspuff spielte ihr ein Lied, dessen Text von einer teuren Reparatur handelte.
Was für ein Morgen! Sie musste sich an der nächsten Tankstelle einen Kaffee organisieren, sonst würde sie den Tag mit Agnes nicht überstehen. Sie griff sich an die Schläfe – schon wieder Kopfschmerzen. Das unheilvolle Grummeln in ihrem Magen führte sie auf das denkwürdige Frühstück zurück.

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